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In der Reihe „die weibliche Seite der Digitalisierung“ beschäftigen wir uns mit vielen Fragestellungen rund um das Thema Frauen und UUX. In diesem Artikel geht es speziell darum, wie Frauen in der Digitalisierung repräsentiert sind, wie sie agieren und was ihnen wichtig ist. Die Frage ist: Digitalisieren Frauen anders und was können sie zur Digitalisierung beitragen?

„Bewertet Frauen einfach nach dem, was sie können!“ sagt Joanne Hannaford, IT-Chefin von Goldman Sachs nach einem Bericht der t3n.

Warum ist das nicht so? Warum werden Menschen mit der gleichen Qualifikation nicht eingestellt oder anderes behandelt, nur weil sie einem bestimmten Geschlecht angehören?

Was wir uns gefragt haben: Neben der Diskussion rund um das Thema Gleichstellung, geht den Unternehmen da nicht vielleicht ein Blickwinkel verloren? Digitalisieren Frauen beispielsweise komplett anders und bieten damit ungeschöpftes Potenzial für die Umsetzung neuartiger, innovativer Ansätze? Einfach nur aufgrund ihrer weiblichen Eigenschaften? Und gibt es das überhaupt, weibliche Eigenschaften?

Die generelle berufliche Situation von Frauen

Um Antworten auf die Fragen zu finden, wie es um die Gleichstellung von Frauen steht und welche Hindernisse dieser entgegenstehen, haben wir uns mehrere Studien zum Thema angeschaut.

Zunächst verschafft der Bericht des Weltwirtschaftsforums (World Economic Forum, kurz WEF) einen globalen Überblick über das wirtschaftliche Geschlechtergefälle und stellt mehrere branchenübergreifende Faktoren für die schlechtere Stellung von Frauen fest:

  1. Niedriger Frauenanteil in Management- bzw. Führungspositionen, Lohnstagnation in Berufen mit hohem Frauenanteil, verminderte Erwerbsbeteiligung und niedriges Einkommen.
  2. Es entscheiden sich nicht ausreichend viele Frauen für Berufe, die den größten Lohnanstieg verzeichnen. Diese liegen meist in technologischen Bereichen.
  3. Es gibt seit jeher Einschränkungen wie fehlende flexible Betreuungsmöglichkeiten und mangelnden Zugang zu Kapital, die die Chancen von Frauen stark begrenzen. Frauen verbringen in jedem Land, in dem Daten vorliegen, mindestens doppelt so viel Zeit mit Betreuungs- und Freiwilligenarbeit, und der fehlende Zugang zu Kapital hindert sie an der Unternehmertätigkeit.

Analysen des WEF, die in Zusammenarbeit mit LinkedIn durchgeführt wurden, zeigen, dass Frauen in neuen meist technisch orientierten Berufsbildern durchschnittlich stark unterrepräsentiert sind. Um das Geschlechtergefälle zu verringern folgert die Studie, dass mehr getan werden muss, um Frauen mit den erforderlichen technischen Kompetenzen für Berufe mit der größten Nachfrage auszustatten. Ein komplexeres Problem ist laut der Studie, dass Frauen, selbst wenn sie über die benötigten, entsprechenden Kompetenzen verfügen, nicht immer gleich stark vertreten sind. Im Bereich Datenwissenschaft und künstliche Intelligenz sind 31% der Personen mit den entsprechenden Kompetenzen Frauen, obwohl nur 25% der Positionen tatsächlich von Frauen besetzt sind. Auch bei den Digitalfachkräften gibt es 53% Frauen mit den erforderlichen Kenntnissen, dennoch werden nur 41% dieser Tätigkeiten auch von Frauen ausgeübt. 

Eine Studie des Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung stellt fest dass Diskriminierung dazu führt, dass Frauen aufgrund der schlechteren Bewertungen von Personalabteilungen seltener zum Vorstellungsgespräch eingeladen werden. Sie bekommen also oft erst gar nicht den Zugang zu „Männerberufen“.

Digitalisierungskenntnisse von Frauen

Frauen erhalten nicht nur mangelnden Zugang zu den entsprechenden Berufen und Positionen, sie hinken auch in der Digitalisierung hinterher. Die Digitalisierungsstudie der Initiative D21 aus dem Jahr 2018/2019 zeigt die Existenz eines sogenannten „Digital Gender Gap“, also ein Missverhältnis hinsichtlich der Geschlechter in Bezug auf digitale Themen. Die Studie verortet Frauen in Deutschland eher in der Gruppe der „Digital Abseitsstehenden“ und will potenzielle Zugangsbarrieren zur Digitalisierung für Frauen in unterschiedlichen Lebenssituationen identifizieren. Sie zeigt unter anderem:

  • Frauen schätzen sich generell als unwissend ein, was digitale Begriffe (beispielsweise Künstliche Intelligenz), digitale Inhalte in beispielsweise sozialen Netzwerken oder den Umgang mit digitalen Technologien anbelangt trotz des Vorliegens gleicher oder ähnlicher Befähigung.
  • Frauen werden in der Arbeitswelt mit weniger digitalen Geräten (z.B. Laptops, Smartphones) ausgestattet als Männer.
  • Das eigene Interesse an digitalen Trends schätzen Männer höher ein als Frauen.

Offen bleibt bei den Erkenntnissen, warum das der Fall ist.

Die genannten Missstände weisen auch den Weg zu möglichen grundsätzlichen Lösungen:

  • Es sollte sichergestellt werden, dass Frauen überhaupt -entweder durch Aus- oder Weiterbildung- mit zukunftsfähiger Expertise ausgestattet werden.
  • Diversität bei der Einstellung von Mitarbeiterinnen sollte gefördert sowie integrative Arbeitskulturen geschaffen werden.

Was können Frauen zur Digitalisierung beitragen?

Der zweite Artikel in dieser Serie (Frauen in der UUX-Branche: Wie viele sind wir eigentlich?) zeigte, dass es im operativen Bereich der UUX nicht an Frauen mangelt. Wie kann dieser Trend unterstützt werden? Vielleicht müssen wir einen genaueren Blick darauf werfen, was Frauen hier interessiert und wie sie ihre Fähigkeiten einbringen möchten.

Auf der Suche nach Hinweisen schauen wir auf wissenschaftliche Auseinandersetzungen unserer Domäne  der Mensch-Maschine-Interaktion (Human Computer Interaction).

Gründe, warum Frauen gerne in dieser Branche arbeiten, sind laut einer Studie aus dem Jahr 2013:

  • sie können kreativ sein,
  • sie können Vorreiterinnen, Pionierinnen sein,
  • sie können etwas Sinnhaftes und Gutes tun, das sich auf viele Leben positiv auswirkt und
  • sie können in einem Bereich tätig sein, der die Arbeit mit Technologie und Menschen ermöglicht.

Natürlich findet sich nicht jede Frau in diesen Wünschen wieder und das ist gut so. Genauso wenig wird sich jeder Mann von diesen Gründen distanzieren. Wichtig ist nur, dass diese Gründe beachtet und in die Gestaltung von Aufgaben und Arbeitsplätzen integriert werden – jede sollte auch in dieser Branche ihren Platz finden können. Die Autorinnen der Studie bringen an, dass auch Mentorinnen eine große Rolle bei der Erreichung dieser Ziele spielen, sie können Wegbegleiterinnen und Vorbilder sein, welche anderen helfen, Herausforderungen zu überwinden und sich innerhalb der Branche zu vernetzen.

Der Wunsch nach Kreativität, nach Sinn in der Arbeit und das Arbeiten mit Menschen ist keineswegs geschlechterspezifisch und sollte von jeder Arbeitgeberin für Mitarbeiterinnen jeden Geschlechts ermöglicht und gefördert werden.

Vielleicht müssen wir aus einer extremeren Perspektive auf diese Frage blicken, aus einer Perspektive, die Frauen ganz klar in den Fokus rückt: Wir werfen hierfür einen Blick auf einen Beitrag zu „feminist HCI“, einen feministischen, weiblichen Ansatz der Mensch-Maschine-Interaktion. Hier wird klar darauf hingewiesen, dass feministische Vorgehensweisen direkt in menschzentrierte Gestaltungaktivitäten, also in die Auseinandersetzung mit der Nutzerin und dem Nutzungskontext, dem Erstellen von Gestaltungslösungen und der Evaluierung dieser mit echten Nutzerinnen, integriert werden können. Der gesamte menschzentrierte Gestaltungsprozess kann somit von einer weiblichen Perspektive auf Arbeitsschritte profitieren. Dann passieren vielleicht auch keine solchen Faux-pas wie bei der in iOS 8 integrierten Gesundheitszentrale von Apple: Diese erfasst sämtliche Daten über den Zuckerspiegel bis hin zu den Schlafphasen. Es wurde aber nicht an den weiblichen Zyklus gedacht, bemängelten die Nutzerinnen laut diesem Artikel. Dass rund die Hälfte der Bevölkerung einmal im Monat ihre Periode bekommt, wäre einer Frau im Team sicher aufgefallen. Mit der Gleichstellung von Frauen haben Unternehmen nicht nur Zugriff auf die gesamte Palette an Talenten des Arbeitsmarkts. Die Förderung von Vielfalt jeglicher Art (nicht nur das Geschlecht betreffend, sondern auch beispielsweise Herkunft, Mentalität, Religion und Erfahrungshorizont) fördert das Einbeziehen unterschiedlicher Perspektiven. Dies kann einerseits eine Steigerung von Innovationsfähigkeit, Optimierung und Exzellenz bewirken und andererseits eine Zielgruppenorientierung, die die Bedeutung bisher nicht einbezogener Personengruppen berücksichtigt. Diversität entscheidet, ob ein Produkt, ein Beruf oder ein Unternehmen für alle Menschen funktioniert. Mehrere Studien deuten darauf hin, dass eine stärkere Präsenz von Frauen auch einen positiven Einfluss auf den Unternehmenserfolg hat.

Grundsätzlich möchten wir doch vor allem eines: Gleiche Chancen für alle. Diversität bedeutet Vielfalt und Unterschiedlichkeit zugleich, Frauen sind anders als Männer, Junge sind anders als Alte. Jede bringt Vorteile, Fähigkeiten und Ressourcen mit. Diese sollten wir schöpfen und nutzen. Fakt ist jedoch, dass Frauen unterrepräsentiert sind und hier Verbesserungen notwendig sind. Iris Bohnet stellt in ihrem Gastbeitrag in der WirtschaftsWoche in Frage, ob dies immer Frauenförderprogramme sein müssen oder ob es nicht viel mehr darum geht, Menschen umfassender zu adressieren, so dass sich alle (und nicht vor allem Männer) angesprochen und eingeladen fühlen. Es geht darum, nicht einem Stereotyp zu folgen (der männlichen Informatikerin, der weiblichen Krankenschwester) sondern offen zu kommunizieren, denn jede soll sich angesprochen fühlen, ihr Potential einzubringen. Dann spielt es keine Rolle mehr, welches Geschlecht, welches Alter oder welche Herkunft potentielle Mitarbeiterinnen haben. Und das wäre eine sehr schöne Zukunftsvision.

 

Dieser Artikel ist Teil einer Artikelserie:

Hier geht es zum ersten Artikel der Serie: Die weibliche Seite der Digitalisierung - Warum wir uns damit beschäftigen möchten

Hier geht es zum zweiten Artikel der Serie: Frauen in der UUX-Branche: Wie viele sind wir eigentlich?

Hier geht es zum dritten Artikel der Serie: Worin besteht Ihr Vorteil als weibliche Führungskraft, Frau Fronemann?


04.08.20

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