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In diesem Beitrag unserer Interviewreihe erläutert der Wirtschaftsinformatiker und KI Experte unter anderem, wie die Leistungsfähigkeit von KI im Vergleich zu menschlicher Arbeit Existenzängste hervorrufen und das Sinnempfinden in der eigenen Tätigkeit beeinträchtigen kann.

Hinweis: Für unsere Gesprächspartner Dr. Daryoush Daniel Vaziri wird im Folgenden die Abkürzung „D” verwendet, während die Moderatorin Anne Elisabeth Krüger mit „K” abgekürzt wird.

Das Warm-Up:

K: Bitte vervollständige diese 3 Sätze ganz spontan

K: Was ich als Kind mit Computern gemacht habe, war…

D: Gebaut habe ich sie, gespielt habe ich mit ihnen und mich von ihnen faszinieren lassen.

K: Was man mit Technik besser erreichen kann, ist…

D: Höhere Qualität in kreativen Bereichen erzielen, Effizienz- und Produktivität steigern.

K: Wichtige Zukunftskompetenzen aus meiner Sicht sind…

D:

  • Das Verständnis darüber haben, wie künstliche Intelligenz funktioniert
  • Verständnis dafür zu haben, das alles auf Statistik beruht
  • Die Kompetenz haben, zu erkennen, welches der zahlreichen KI-Tools wirklich sinnvoll für mein Unternehmensprozesse sind

K: Suche dir einen Gegenstand, anhand dessen du KI beschreiben kannst. Was bedeutet KI für dich persönlich?

D: Wählt Roboter und Hochleistungsrechner

Die Roboter sind im Grunde genommen Hardware ohne besondere Fähigkeiten. Um ihnen Sprache, Bewegungen und Gesten beizubringen, setzen wir auf neuronale Netze. Durch die Verbindung der Roboter mit unseren Sprachmodellen können wir beispielsweise Bewegungen auslösen oder sie auf spezifische Fragen reagieren lassen. Das Sprachmodell interpretiert unsere Eingabesprache und übersetzt sie in eine Form, die die Maschine (Roboter) verstehen kann, woraufhin diese entsprechend reagiert. Der Roboter stellt dabei so gesehen, die Schnittstelle zwischen Mensch und Sprachmodell dar. Der Hochleistungsrechner fungiert praktisch als Produktionshalle und trainiert das Sprachmodell. Sobald das Sprachmodell vollständig trainiert ist, wird es mit den Robotern verbunden. Die Roboter dienen als Interaktionsmittel, um mit einem solchen Sprachmodell zu kommunizieren. Dies kann jedoch auch auf viel einfachere Weise geschehen, beispielsweise mit einem Laptop.

K: In welchem Zusammenhang/Womit beschäftigst du dich mit KI?

D: Ich beschäftige mich hauptsächlich mit dem Thema natürliche Sprachverarbeitung und Bildverarbeitung. KI begleitet mich schon einige Jahre, das Jahr 2020 war mit dem ersten GPT System einschlagend und seit November 2022 bauen und trainieren wir unser eigenes souveränes Sprachmodell.

K: Kannst du „Sprachmodell“ erklären?

D: Es handelt sich um eine Modellierung unserer menschlichen Sprache, sodass diese von einer Maschine verstanden werden kann. Ein Sprachmodell funktioniert durch das Einladen einer umfangreichen Menge an Daten, darunter menschliche Sprachdaten und Konversationen, in ein künstliches neuronales Netz.

Die Maschine lernt über diese Architektur die Strukturen und syntaktischen Abhängigkeiten von Sprache kennen. Dieser Lernprozess führt schließlich zu einem Sprachmodell, welches versucht, auf der Grundlage der Daten, die ihm vorgestellt wurden, eine Art Verständnis für die Sprache zu entwickeln und in der Lage zu sein, darauf basierend sinnvolle Antworten zu generieren oder andere sprachbezogene Aufgaben zu erfüllen. Es ist wichtig zu beachten, dass das Sprachmodell nur so gut ist wie die Qualität und Vielfalt der Trainingsdaten, die dem Modell zur Verfügung gestellt wurden.

K: Was braucht es damit die Menschen von heute und morgen ein positives emotionales Erleben im Zusammenhang mit KI haben?

Die Sorge besteht darin, dass, KI Aufgaben besser oder sogar effizienter als Menschen erledigt, besonders in Bereichen, die die eigene Existenzsicherung betreffen. Wenn die tägliche Arbeit von KI in kurzer Zeit und möglicherweise sogar in besserer Qualität erledigt wird, kann dies das Gefühl von Sinnhaftigkeit in der eigenen Arbeit entziehen. Die fortschreitende Entwicklung immer intelligenterer Systeme, die in der Lage sind, dem Menschen in bestimmten Aufgabenbereichen überlegen zu sein, sehe ich als potenzielle Gefahr für den Menschen bzw. für unsere Gesellschaft. Es ist sinnvoll zu überlegen, die KI so zu entwerfen, dass sie einen Menschen ebenbürtig ist, d.h man muss dieser vielleicht ganz bewusst Barrieren und Grenzen einbauen, dass die KI eben in bestimmten Bereichen, die Sinn stiftend sind, dann bewusst nicht so intelligent ist wie der Mensch. Ich finde, gesellschaftlicher Mehrwert entsteht durch die Kooperation zwischen Menschen und KI. Die KI könnte Vorschläge machen, aber der Mensch sollte stets Feedback geben und gemeinsam mit der KI zu Lösungen kommen. Endgültige Entscheidungen sollten nicht allein aufgrund der Intelligenz der KI getroffen werden, sondern das Ergebnis einer kooperativen Zusammenarbeit sein.

K: Was willst du den KMU zum Thema KI und Faktor Mensch mitgeben?

D:

  1. Frühzeitig beginnen: Unternehmen sollten sofort damit beginnen, sich mit generativer KI auseinanderzusetzen und diese in irgendeiner Form nutzen, um Erfahrungen zu sammeln. Dies hilft, nicht den Anschluss zu verlieren.
  2. Vermeidung von Abhängigkeiten: Bei der Integration der Technologien in die Prozesslandschaft ist es wichtig, genau zu prüfen, um nicht von Unternehmen abhängig zu werden, die sich außerhalb des gleichen Rechtsraums befinden. Es ist ratsam, lokale oder europäische Anbieter in Betracht zu ziehen, um rechtliche und strategische Risiken zu minimieren und um die Abhängigkeit von ausländischen Unternehmen zu vermeiden.
  3. Schrittweise Prozessintegration: Beginnen Sie mit der schrittweisen Integration von generativer KI in die Prozesse. Starten Sie vielleicht mit einem weniger kritischen Prozess, um zu überprüfen, wie die Technologie effektiv eingesetzt werden kann. Fortlaufend sollten weitere Prozesse identifiziert werden, die durch generative KI verbessert werden können. Es ist wichtig, diesen Fortschritt schrittweise zu gestalten.
  4. Messbare Effizienzsteigerung: Während des Integrationsprozesses sollte stets gemessen werden, ob die Effizienz tatsächlich gestiegen ist. Eine generative KI sollte nur implementiert werden, wenn sie nachweislich einen Mehrwert bietet.

K: Was sollte man noch wissen zum Thema KI?

D: Was ich noch betonen möchte ist, dass meine Aussagen nicht allzu negativ klingen sollen. Das bedeutet nicht, dass KI zwangsläufig zum Teufelswerk wird; im Gegenteil, sie birgt enorme Chancen für die Menschheit. Jedoch sollten wir aus der Vergangenheit lernen, dass wir Technologien oft entwickeln, ohne das große Ganze zu bedenken.Historisch betrachtet haben wir Technologien geschaffen, die in die falschen Hände geraten können und zu problematischen Verhältnissen führen. Jetzt stehen wir erneut an einem Punkt, an dem wir überlegen können, wie wir es richtig machen. Es ist wichtig, das Potenzial der KI zu erkennen, aber auch genau zu verstehen, welche Risiken sie mit sich bringt. In der Menschheitsgeschichte haben wir Technologien entwickelt, um unseren Arbeitsalltag zu erleichtern und unsere Lebensqualität zu verbessern. Das war immer das große Ziel. Jetzt stellt sich jedoch die Frage, ob die KI, indem sie Arbeitsplätze übernimmt, tatsächlich dazu beiträgt, die Lebensqualität zu steigern. Oder ob wir möglicherweise an den Punkt gelangen, an dem die KI die Arbeit wegnimmt, die wir eigentlich haben wollen – sinnstiftende Arbeit. Dies könnte zu einer Beeinträchtigung unserer Lebensqualität führen, insbesondere wenn wir eine Technologie entwickeln, die wir irgendwann nicht mehr kontrollieren können.

K: Wie wird sich KI in der Zukunft verändern? Übernimmt KI die Weltherrschaft?

D: In der griechischen Mythologie gibt es den Gott Prometheus, einen Menschenfreund, der gegen den Willen von Zeus den Menschen das Feuer gab. Dies tat er in der Hoffnung, dass die Menschheit sich dadurch weiterentwickelt und Wohlstand generiert. Die Konsequenz war jedoch, dass die Götter in Vergessenheit gerieten und von den Menschen vernichtet wurden, die durch das Feuer mächtiger wurden. Heute stehen wir als Menschheit an einem Punkt, der Prometheus ähnelt. Wir haben nicht mehr nur das Feuer, sondern auch künstliche Intelligenz (KI), die wir den Maschinen geben. Wir erleben bereits, wie die Sprache die Grenzen des Menschen überwindet und den Maschinen übertragen wird. Das ist erst der Anfang, denn es wird in Richtung synthetischer Wesen gehen. Die Frage, die sich stellt, ist, ob in 200 bis 300 Jahren oder vielleicht sogar früher synthetische Wesen existieren werden. Diese könnten sich dann die Frage stellen, warum sie noch Menschen brauchen, die den Planeten schädigen und ständig im Wettbewerb zueinanderstehen.


Über Dr. Daryoush Daniel Vaziri:

Daryoush Vaziri ist promovierter Wirtschaftsinformatiker und Experte für das Thema generative KI im Mittelstand. Er besitzt jahrelange Erfahrung bei der Konzeption und Gestaltung von KI-basierten Systemen und tragfähigen Geschäftsmodellen, insbesondere für Innovationen der natürlichen Sprachverarbeitung und generativen KI.


08.04.24

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