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Teil 1 unserer Interview-Reihe, in der sich Usability-Unternehmen und ihre Macher vorstellen. Im Rampenlicht dieses Mal: Custom Interactions aus Darmstadt.

UIG: Wer sind Sie und was machen Sie?

Dr. Michaela Kauer: Unser Unternehmen heißt Custom Interactions. Wir sind ein junges Usability-Beratungsunternehmen, das im Februar dieses Jahres gegründet wurde. Zurzeit sind wir zwei Geschäftsführer, einmal ich, Michaela Kauer. Ich bin Psychologin vom Hintergrund her, habe an der TU Darmstadt studiert und am Institut für Arbeitswissenschaft zum Thema "Technik-Akzeptanz" promoviert. Tätig bin ich im Bereich Nutzerbefragung, Methodenentwicklung, und Konzeptbewertung. Normalerweise sind wir aber immer im Zweierteam unterwegs, wo dann auch mein Kollege direkt mit reinkommt…

Benjamin Franz: Mein Name ist Benjamin Franz, ich bin von der Ausbildung her Ingenieur, habe auch an der TU Darmstadt studiert, und arbeite zusammen mit Michaela Kauer an gemeinsamen Projekten am Institut für Arbeitswissenschaft. Aktuell promoviere ich dort im Bereich Interaktionskonzepte für hochautomatisierte Fahrzeugführung.

UIG: Wie kam es zur Idee zur eigenen Gründung? Was waren die ersten Schritte?

Kauer: Im Prinzip war das ein schleichender Prozess. Wie beide arbeiten seit 2010 immer gemeinsam an Projekten und haben uns da immer mit der Entwicklung, Gestaltung und Testung von neuen Produkten beschäftigt. Das hat viel Spaß gemacht, wir waren als Team immer erfolgreich, hatten gute Ergebnisse und zufriedene Projekt-Partner. Also haben wir überlegt, dass wir gerne dauerhaft in dem Bereich zusammenarbeiten würden.

Franz: Wir haben dann im September letzten Jahres zu zweit angefangen konkret darüber nachzudenken. Ende des Jahres kam es dann zu den ersten Gründungsgesprächen mit Notar und Anwalt.

UIG: Hatten Sie zu diesem Zeitpunkt schon erste Kunden?

Kauer: Wir wollten einen fließenden Übergang vom Institut hin zur Selbstständigkeit erreichen. Das hat überraschend gut funktioniert, wir haben direkt Kunden gefunden. Inzwischen haben wir auch vier Mitarbeiter gewinnen können, die uns unterstützen.

UIG: Ist eine Gründung neben der Promotion machbar?

Franz: Ja, es ist möglich, aber man muss sagen, dass es zeitlich natürlich angespannt ist. Man muss sich gerade für eine erste Gründung in viele Themen einarbeiten – angefangen von Logogestaltung, über den Firmenauftritt, Vorlagen für Rechnungen, Buchhaltung, Arbeitsverträge bis hin zur Wahl der Gesellschaftsform. Da hilft es definitiv zu zweit zu sein. Wir haben uns so abgestimmt, dass wir beide gleichberechtigte Gesellschafter sind, aber jeder sein Spezialgebiet hat, sowohl inhaltlich als auch bei der Vorbereitung der Gründung.

UIG: Haben Sie Förderinstrumente in Anspruch genommen?

Franz: Wir haben uns von der HIGHEST Gründerberatung der TU Darmstadt beraten lassen. Man muss sagen, dass diese Beratung hier hauptsächlich auf die Beschaffung von Gründerkapital fokussiert ist. Als Beratungsfirma ist das ja nicht so relevant – das Risiko und der Kapitalbedarf sind überschaubar. Die Hauptressource, die man einsetzt, ist Zeit. Die Gründungsberatung hat aber auch unseren Businessplan noch einmal gegengelesen. Das war wertvoll, um noch einmal eine Rückmeldung zu bekommen.

UIG: Lassen Sie uns über den Team-Mix und die Mitarbeitergewinnung sprechen…

Kauer: Wir haben natürlich einen Heimvorteil. Wir arbeiten ja mit jungen Kollegen zusammen, von denen wir wissen, die sind mit uns auf einer Wellenlänge und die machen inhaltlich genau das, was wir uns vorstellen. Unser Team setzt sich zusammen aus Psychologen, Ingenieuren und freien Designern.

Franz: Was unsere Konstellation betrifft: Frau Kauer ist, wie bereits erwähnt, von der Grundausbildung her Psychologin, mein Schwerpunkt ist eher der Technikteil. Das ist fachlich eine extrem gute Ergänzung, aber auch in der Gründungsphase sehr hilfreich, weil man sich Aufgaben teilen kann und gleichzeitig immer eine zweite Sichtweise hat.

UIG: Welche Tipps würden Sie Gründern mit auf den Weg geben?

Kauer: Sich einen Partner zu suchen, mit dem man wirklich gut zusammenarbeiten kann und mit dem man sich sowohl fachlich als auch persönlich gut ergänzt. Eine Sache, die wir zudem definitiv empfehlen würden, ist, dass man sich sehr klare Gedanken macht, wie die jeweiligen Rollen aussehen werden und wer welche Rechte und Pflichten hat. Wir haben das ausführlich diskutiert und im Gesellschaftervertrag zusammengefasst. Was passiert z.B., wenn einer aus der Firma ausscheiden sollte? Wenn diese Fragestellungen geklärt sind, hat man von vorneherein das gleiche Verständnis und die gleiche Herangehensweise an die Firma.

Franz: Dazu gehört auch: Wie viel Zeit setzt man jede Woche ein? Man sollte in dieser Hinsicht nicht mit unterschiedlichen Erwartungen an eine Gründung herangeht. Klar, die meisten Dinge dauern oft viel länger als man denkt. Es ist also sicher auch gut schon in den frühen Phasen Pufferzeiten einzuplanen und nicht alles auf die letzte Sekunde zu kalkulieren. Vor allem bei den ersten Projekten hängt es oft an so einfachen Dingen wie einer Vorlage für ein Angebot oder ein Ergebnisbericht. Diese Dokumente muss man ja anfangs grundlegend neu aufbauen. 

UIG: Wo stehen Sie heute? Wo sehen Sie Ihren Markt?

Kauer: Wir haben erste Kunden, sowohl größere als auch kleinere. Wir wollen uns hier in der Region Darmstadt positionieren, weil es hier viele interessante Unternehmen gibt, die unsere Unterstützung gebrauchen könnten. Vom Aufgabenspektrum her widmen wir uns Software und Hardware, entwickeln Prototypen und gestalten auch Produkte neu. Wir sind da relativ breit aufgestellt – wobei wir zuletzt die meiste Zeit mit Interaktionskonzepten verbracht haben.

UIG: Würden Sie sagen, dass die Emotionalisierung von Produkten auch im B2B-Segment immer wichtiger wird?

Kauer: Einer unserer ersten Kunden war ein Hersteller eines Videomischsystems, das wirklich nur durch ausgebildete Spezialisten bedient wird. Genau da war es ein großes Thema, sich über die Oberfläche, über die Einfachheit, über das positive Erleben und schöne Gestaltung vom Markt abzuheben. Also, ja, Emotionen werden in dem Bereich auch immer mehr zum Thema. Das ist übrigens ein großer Teil von dem, was ich in meiner Promotion gemacht habe und für das Institut für Arbeitswissenschaft immer wieder tue: Wir sagen "Usability" und machen "User Experience". Wir beschäftigen uns  sehr mit den Gründen, warum man eine Bindung zu einem Produkt aufbaut, warum man ein Produkt liebt. Was sorgt dafür, dass man ein Produkt anschaut und sagt, man will es nicht mehr hergeben? Das versuchen wir in unsere Produkte hereinzubringen.

UIG: Sie haben es angesprochen: Ist der Begriff "Usability" im Feld tatsächlich nur noch eine Hülse, um sich gegen Marketingagenturen abzugrenzen?

Kauer: Es ist ein bisschen schwierig mit den Begriffen. Usability ist etabliert, etwas, was man schon gut belegen kann und im Feld anerkannt ist. Und auch kleine Unternehmen sagt Gebrauchstauglichkeit langsam etwas. Wir denken User Experience ist wichtig, aber als Begriff noch sehr weich, noch ohne klare Definition. Heute gibt es hier noch sehr verschiedene Ansichten, auch in der Forschung. Deshalb halten wir uns eher in den deutschen Begriffen. Auf unserer Homepage steht so nicht "User Experience", sondern "wir gestalten das Nutzererlebnis". Wir wollen ja auch kleine Kunden ansprechen, die sich vorher nicht mit den Fachbegriffen auseinander gesetzt haben müssen, sondern die gute Produkte wollen, die den Leuten gefallen.

UIG: Wenn Sie nicht gemeinsam gegründet hätten, was würden Sie heute tun?

Franz: Ich würde grob gesagt das Gleiche machen, was ich im Moment am Institut für Arbeitswissenschaft mache, nämlich Projektarbeit und die Promotion weiterführen und beenden. Für mich war aber auch immer klar, dass ich mich selbstständig machen will. Darauf würde ich sicher hinarbeiten.

Kauer: Ich würde wohl auch das Gleiche machen und am Institut meine Gruppe leiten. Dann wäre ich wahrscheinlich losgegangen und hätte mir eine entsprechende Anstellung in einem Großunternehmen gesucht. Alleine hätte ich mich wohl nicht selbstständig gemacht. Für mich war ein Partner in der Gründung ausschlaggebend.

UIG: Mit wem würden Sie gerne einmal einen Kaffee trinken?

Franz: Also wenn es wirklich um einen Kaffee geht, wäre es bei mir Howard Schultz, der Gründer von Starbucks. Und wenn es um den Beruf geht, dann würde ich mich sehr gerne mit erfolgreichen Gründern von großen Unternehmen unterhalten. Konkrete Namen wären z.B. Richard Branson, Bill Gates oder – wenn er noch leben würde – Steve Jobs.

Kauer: Ich würde mit meinen Freunden Kaffee trinken gehen, weil so eine Gründung viel Zeit kostet und andere Sachen dadurch ein wenig zu kurz kommen. Außerdem hätte ich dann die Gelegenheit ihnen von den vielen spannenden Themen zu erzählen, mit denen wir uns in letzter Zeit beschäftigen durften und hoffentlich auch weiterhin beschäftigen dürfen.

04.11.13

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