1
2
3
4
5
6

Es wird viel über Usability und User Experience geredet. Dabei werden beide Konzepte oft gleichgesetzt oder vermischt. Wird die Frage danach gestellt, was positive User Experience ist und wie diese entsteht, dann wird deutlich, dass hier ganz andere Erklärungen notwendig sind. Positive Emotionen und Erfüllung von Bedürfnissen spielen bei positiver User Experience im Rahmen der Nutzung von Technologie eine Hauptrolle.

Im Artikel Was steckt hinter Usability und User Experience? wurde bereits auf die Unterschiede zwischen Usability und User Experience eingegangen. Nun stellt sich noch die Frage, was positive User Experience ist und wie für diese gestaltet werden kann.

Tatsächlich gibt es zwischen Usability und User Experience im Vergleich zu positiver User Experience noch einmal recht große Unterschiede, die wir hier erläutert wollen.

Usability, User Experience und Positive User Experience

Usability bezieht sich vor allem auf das Interaktionsverhalten. Es geht darum, dass Nutzer Ziele erreichen wollen und hier ist wichtig, dass sie diese genau und vollständig erreichen können und so die Interaktion als zufriedenstellend erlebt wird. Ein häufig vergessener, aber sehr wichtiger Aspekt der Usability-Definition ist der Nutzungskontext. Interaktion findet immer vor dem Hintergrund dessen statt, welche Nutzer was mit einem Produkt in einer physischen und sozialen Umgebung machen wollen. Dieses Zusammenspiel bezeichnet der Nutzungskontext. Das Ideal von Usability-Aktivitäten ist „intuitive Nutzung“. Damit ist gemeint, dass Nutzer einfach ihr gesamtes schon bestehendes Wissen nutzen und dieses unbewusst anwenden können (Mohs et al., 2006). Dies bedeutet, Nutzer müssen nicht mehr über die Interaktion nachdenken, sondern nutzen das Produkt einfach zu dem, was sie gerne machen wollen.

User Experience, so wie sie in der Norm DIN EN ISO 9241 Teil 210 (2011) verstanden wird, umfasst nicht nur die Interaktion mit dem Produkt selbst, sondern auch die subjektiven Eindrücke des Nutzers, die Erwartung an die Nutzung sowie die Reflexion der Nutzung im Nachgang. Zudem steht nicht das einzelne Produkt im Vordergrund, sondern alles, was im Zusammenhang mit dem Produkt genutzt wird, wie z.B. die Verpackung, das Produktforum im Internet, der Produktsupport. Es wird also der Blick über die reine Interaktion mit dem Produkt geweitet und das subjektive Erlebnis des Nutzers einbezogen. Allerdings ist die Usability immer noch eine zentrale Komponente des User Experience Verständnisses.

Positive User Experience fokussiert sehr stark auf die emotionale Seite des Nutzererlebnisses und hier auf die positiven Emotionen. Dass positive User Experience von positiven Emotionen geprägt wird, machte Marc Hassenzahl in seiner Definition der User Experience sehr klar (Hassenzahl, 2008). Pieter Desmet hat die Bedeutung der positiver Emotionen, die Nutzer mit Produkten erleben können, genauer untersucht und 25 positive Emotionen identifiziert, die relevant für Technologieerlebnisse sind (Desmet, 2012). Die entscheidende Frage ist: wie entstehen positive Emotionen? Hassenzahl (2008) erklärte, dass sich positive Emotionen einstellen, wenn psychologische Bedürfnisse erfüllt werden. Wichtig zu verstehen ist, dass psychologische Bedürfnisse bei jedem Menschen vorhanden sind und erfüllt werden können. Es handelt sich also nicht um sogenannte „User Needs“, also Anforderungen oder Bedarfe, die das bezeichnen, was Nutzer sich von einem Produkt wünschen.

Positive Emotionen und psychologische Bedürfniserfüllung

Das Modell, nach dem positive Emotionen bei der Nutzung von Technologien durch Erfüllung von Bedürfnissen entstehen, konnte in seinen Grundsätzen wissenschaftlich bestätigt werden (Hassenzahl, Diefenbach, & Göritz, 2010; Tuch, van Schaik, & Hornbæk, 2016).

Im Folgenden werden psychologische Bedürfnisse vorgestellt, die bei Technologieerlebnissen häufig vorkommen (Auflistung nach Diefenbach & Hassenzahl, 2017):

  • Autonomie
  • Kompetenz
  • Verbundenheit
  • Stimulation
  • Popularität
  • Sicherheit
  • Bedeutsamkeit

Welche positiven Emotionen entstehen können, hat Desmet aufgezeigt (2012). Im Folgenden finden sich ein paar Beispiele aus seiner Sammlung der 25 positiven Emotionen.

  • Freude
  • Inspiration
  • Erleichterung
  • Stolz
  • Überraschung
  • Vertrauen
  • Energie-geladen
  • Lust
  • Mut

Aufbauend auf dem Ansatz der positiven Emotionen, die sich bei Erfüllung von Bedürfnissen einstellen, wurden positive Erlebniskategorien entwickelt. Diese systematisierten Strukturen positiver Erlebnisse können in bestimmten Kontexten vorkommen, wie z.B. Arbeitskontexten (Zeiner, Burmester et al., 2018) oder privates Kochen (Zeiner, Haasler, Henschel, Laib, & Burmester, 2018).

Insgesamt wurden für Arbeitskontexte 17 positive Erlebniskategorien identifiziert und in 6 Gruppen zusammengefasst. Exemplarisch finden sich hier folgende positive Erlebniskategorien:

  • Feedback bekommen
  • Wertschätzung
  • Herausforderung meistern
  • Kreativität erleben
  • Etwas erledigen
  • Gemeinsam etwas schaffen
  • Zu etwas Höherem beitragen
  • ...

Das Ideal positiver User Experience lässt sich am ehesten mit dem „guten Leben“ nach Aristoteles beschreiben. Nutzer können im Rahmen der Interaktion kurzfristige positive Erlebnisse haben und durch die Umsetzung eigener Fähigkeiten und Ziele auch langfristiges positive Emotionen erleben.

Zusammenfassung: Usability und Positive User Experience im Vergleich

Prozess

Usability

Positive User Experience

Ziel

Effektivität, Effizienz

Bedürfniserfüllung

Fokus

Nutzungsverhalten

Nutzungserleben

Ideal

Intuitive Bedienung

„Das gute Leben“

Analyse

Ziele, Aufgaben

Bedürfnisse,
positive Erlebnisse

Entwurf

Werkzeuge bauen

Möglichkeiten für positive Erlebnisse

Evaluation

Probleme aufdecken
Stress vermeiden

Positive Erlebnisse verstehen und erweitern

 

Weiterführende Informationen:

Projekt Design4Xperience: www.design4xperience.de

Artikel: Was steckt hinter Usability und User Experience?

Literatur für einen tieferen Einstieg:

Burmester, M., Laib, M., & Zeiner, K. M. 11 Positive Erlebnisse und Wohlbefinden in Arbeitskontexten durch Gestaltung der Mensch-Computer-Interaktion. Positiv-Psychologische Forschung im deutschsprachigen Raum–State of the Art, 158.

Desmet, P. M. A. (2012). Faces of Product Pleasure: 25 Positive Emotions in Human-Product Interactions. International Journal of Design, 6(2), 1–29.

Diefenbach, S., & Hassenzahl, M. (2017). Psychologie in der nutzerzentrierten Produktgestaltung. Berlin: Springer.

DIN EN ISO 9241-210. (2011). Ergonomie der Mensch-System-Interaktion – Teil 210: Prozess zur Gestaltung gebrauchstauglicher interaktiver Systeme (ISO 9241-210:2010).

Hassenzahl, M. (2008). User experience (UX): towards an experiential perspective on product quality. In Proceedings of the 20th International Conference of the Association Francophone d’Interaction Homme-Machine (pp. 11–15). ACM. Retrieved from portal.acm.org/citation.cfm?id=1512717

Hassenzahl, M., Diefenbach, S., & Göritz, A. (2010). Needs, affect, and interactive products – Facets of user experience. Interacting with Computers, 22(5), 353–362. doi.org/10.1016/j.intcom.2010.04.002

Mohs, C., Hurtienne, J., Israel, J. H., Naumann, A., Kindsmüller, M. C., Meyer, H. A., & Pohlmeyer, A. (2006). IUUI – Intuitive Use of User Interfaces. In T. Bosenick, M. Hassenzahl, M. Müller-Prove, & M. Peissner (Eds.), Usability Professionals 2006 (pp. 130–133). Stuttgart: IRB.

Reiss, S. & Havercamp, S. M. (1998). Toward a Comprehensive Assessment of Fundamental Motivation: Factor Structure of the Reiss Profiles. Psychological Assessment, 10(2), 97–106. Retrieved from psycnet.apa.org/index.cfm?fa=fulltext.journal&jcode=pas&vol=10&a mp;issue=2&format=html&page=97&expand=1

Ryan, R. M. & Deci, E. L. (2000). Self-determination theory and the facilitation of intrinsic motivation, social development, and well-being. The American Psychologist, 55(1), 68–78. Retrieved from www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/11392867

Sheldon, K. M., Elliot, A. J., Kim, Y. & Kasser, T. (2001). What is satisfying about satisfying events? Testing 10 candidate psychological needs. Journal of Personality and Social Psychology, 80(2), 325–339. doi.org/10.1037//O022-3514.80.2.325

Tuch, A. N., van Schaik, P., & Hornbæk, K. (2016). Leisure and Work, Good and Bad: The Role of Activity Domain and Valence in Modeling User Experience. ACM Transactions on Computer-Human Interaction (TOCHI), 23(6), 35. doi.org/10.1145/2994147

Zeiner, K. M., Burmester, M., Haasler, K., Henschel, J., Laib, M., & Schippert, K. (2018 im Druck). Designing for Positive User Experience in Work Contexts – Experience Categories and their Applications. Human Technology, 14(1).

Zeiner, K. M., Haasler, K., Henschel, J., Laib, M., & Burmester, M. (2018). Experience Categories in Specific Contexts – Creating Positive Experiences in Smart Kitchens. In Proceedings of the International HCI Converence 2018. Elsevier.


06.08.18

1
2
3
4
5
6
 
Das Mittelstand-Digital Netzwerk bietet mit den Mittelstand-Digital Zentren und der Initiative IT-Sicherheit in der Wirtschaft umfassende Unterstützung bei der Digitalisierung. Kleine und mittlere Unternehmen profitieren von konkreten Praxisbeispielen und passgenauen, anbieterneutralen Angeboten zur Qualifikation und IT-Sicherheit. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz ermöglicht die kostenfreie Nutzung der Angebote von Mittelstand-Digital. Weitere Informationen finden Sie unter www.mittelstand-digital.de.