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In diesem Blogbeitrag stellen wir die Methode des Video-Prototypings vor. Wir beschreiben das Vorgehen bei der Erstellung eines Video-Prototypen und die Ziele, die mit der Methode erreicht werden können. Außerdem gehen wir auf die Vorzüge, Herausforderungen und Voraussetzungen dieser Methode ein.

Einleitung

Video-Prototyping ist eine Methode, bei der die Nutzung eines interaktiven Systems in einem gegebenen Kontext beispielhaft mithilfe des Mediums Video dargestellt wird. Die Methode kann dazu eingesetzt werden, kostengünstig, aussagekräftig und schnell einen Designentwurf für Nutzende und andere Stakeholder zu illustrieren. Konzepte können auf diese Weise nachvollziehbar demonstriert und als Ausgangspunkt für Diskussionen mit Interessensvertreter:innen dienen. So lassen sich innovative Applikationen auf Grundlage neuer Technologien bereits ausloten, bevor diese überhaupt auf dem Markt verfügbar sind. Das Titelbild dieses Beitrags ist aus einem Video-Prototypen von 2005 entnommen, mit dem wir Jahre vor dem kommerziellen Angebot interaktiver Multi-Touch Tabletops bereits deren Möglichkeiten im Kontext der Beratung in Apotheken erkunden konnten. Video-Prototypen sind geeignet, eine Design Fiction konkret zu visualisieren. Sie können mehr über die Designpraxis Design Fiction in unserem Blogbeitrag zu Design Fiction erfahren.

Vorgehen

Die Erstellung von Video-Prototypen ist typischerweise an folgenden Schritten orientiert:

  1. Durchführen einer Nutzungskontextanalyse.
  1. Erarbeiten eines typischen Nutzungsszenarios: 
  2. Ein Nutzungsszenario ist eine erzählende textuelle Beschreibung einer zukünftigen Benutzungssituation mit dem interaktiven System. 
  1. Erstellen eines Storyboards:
  2. Das Nutzungsszenario bildet die Basis eines Storyboards.
  1. Planen und Beschaffen von Requisiten: 
  2. Storyboards können dazu genutzt werden, die benötigten Requisiten zu identifizieren. Bei dem angesprochenen Video-Prototypen zu einem Multi-Touch Table arbeiteten wir mit einem Beamer, der von unten gegen eine Plexiglas-Scheibe projizierte — und einfach einen selbstablaufenden Film zeigte: Das Timing der vermeintlichen «Interaktion» wurde durch den Nutzenden lediglich synchron simuliert.
  1. User Interfaces vorbereiten:
  2. Zur Erfüllung des Nutzungsszenarios wird nach Ableitung relevanter Nutzungsanforderungen ein (interaktives) User Interface konzipiert, das die notwendige Interaktion mit einem interaktiven System abbildet. Hierzu kann neben digitalen Prototyping-Tools wie Figma, Sketch oder Antetype auch auf einfache Scribbles auf Papier zurückgegriffen werden. 
  1. Dreh:
  2. Dem Storyboard folgend, werden im nächsten Schritt die geplanten Szenen gefilmt. Um den Produktionsaufwand gering zu halten, genügt hierzu oft ein Smartphone, das gegebenenfalls auf ein Stativ montiert wird. In unserem Multi-Touch-Beispiel wurde ein einfacher, interaktiver Prototyp erstellt, dessen Workflow nach (simulierten) Interaktionen — unter Rückgriff auf aussagekräftige Animationen und Transitionen — in einem Video festgehalten wurde. Im Video-Prototyp tippte der gezeigte Nutzer zwar auf den horizontal orientierten Screen, tatsächlich lief das Video jedoch vollständig ohne Reaktion auf diese «Aktionen» ab. Ebenso können frühe Scribbles eines User Interface in Fotos festgehalten und die Ergebnisse von (vermeintlichen) Interaktionen in Screen-Wechseln durch Tools wie Marvel verbunden werden.
  1. Schnitt:
  2. Es bietet sich an, Videosequenzen jeweils so zu schneiden, dass sie die Bearbeitung aussagekräftiger Nutzungsszenarien wiedergeben.

Anmerkungen:
Die Anforderungen an das Equipment zur Erstellung und die Software zur Nachbereitung eines Video-Prototypen hängen von der Komplexität und der gewünschten Fidelity des intendierten Video-Prototypen ab. In sehr vielen Fällen sind jedoch die Videomöglichkeiten moderner Smartphones und eine einfache Software zum Videoschnitt ausreichend. Je nach beabsichtigter Verwendung des Video-Prototypen kann eine hohe Produktionsqualität notwendig sein, um den Eindruck von einem interaktiven System — etwa beim Einsatz zu Marketingzwecken — nicht negativ zu beeinflussen.

Der Einsatz eines Video-Prototypen kann zum Ergebnis haben, dass mit diesem verbundene Erwartungen, Annahmen zu seiner Rezeption bei Nutzenden, die Nützlichkeit in einem gegebenen Nutzungskontext, technische Anforderungen bei der realen Implementierung oder die konkrete Umsetzung eines Konzepts verschiedene Revisionen erfordern — oder sich gar ein Produktkonzept als nicht tragfähig erweist und verworfen werden muss. Video-Prototypen fördern hierbei durch den mit ihnen verbundenen geringen Aufwand schnelle und kostengünstige Iterationen.

Ziele

Video-Prototyping ermöglicht es, interaktive Konzepte informationsreich und anschaulich in der Nutzung zu visualisieren, zu erproben und auf der Basis des erhobenen Feedbacks weiterzuentwickeln. Optimierungspotentiale und Fehlannahmen im Produktkonzept können kostengünstig entdeckt und frühzeitig behoben werden. Insbesondere eignen sich Video-Prototypen für die interne und externe Kommunikation mit Interessenvertreter:innen und zeigen auch frühe Produktvisionen in ihren späteren Möglichkeiten.

Vorteile 

Video-Prototyping kann sowohl in frühen als auch in fortgeschrittenen Phasen der Entwicklung eines interaktiven Systems eingesetzt werden. Ein Produktkonzept kann durch Video-Prototypen schrittweise verfeinert, erprobt und mit Nutzenden validiert werden. Mithilfe eines Video-Prototypen kann visualisiert werden, wie Nutzende mit dem zukünftigen System interagieren, eine mögliche User Journey kommuniziert und erkundet werden, welche Emotionen Nutzende mit einem Konzept verbinden. Mit dieser Methode lassen sich Lücken in der Interaktionsgestaltung frühzeitig aufdecken, da bei der Erstellung eines Video-Prototypen jeweils konkrete Workflows betrachtet werden. Ein Video-Prototyp eignet sich in besonderer Weise für Elevator Pitches zur Vermittlung des mit einem Konzept verbundenen Potenzials und kann — je nach ausgearbeitetem Reifegrad — auch zu Marketingzwecken eingesetzt werden.

Herausforderungen

Die durch (visuell ausgearbeitete) Video-Prototypen erzeugte Anschaulichkeit kann in Problemen des Erwartungsmanagements münden: ein Video-Prototyp birgt die Gefahr, die kurzfristige Verfügbarkeit eines bislang lediglich rudimentär ausgearbeiteten Produktkonzepts zu suggerieren. Je nach Einsatz ist daher der explizite Verweis auf den tatsächlichen Entwicklungsstand empfehlenswert. In der Praxis erleben wir nicht selten eine deutlich zu weit gehende Elaboration, die mitunter Freiheitsgrade in späteren Entwicklungsphasen einschränken kann. Dem Einsatz illustrativer Video-Prototypen bei frühen Konzepterkundungen sollte zeitnah die Verwendung interaktiver Prototypen in UX-Evaluationen folgen — in denen Nutzende tatsächlich selbst mit Prototypen bei der Bearbeitung von Arbeitszielen konfrontiert sind.

Welche Potenziale die Methode zur Erstellung von Video-Prototypen für klein- und mittelständische Unternehmen bietet, haben wir in diesem Beitrag vorgestellt. Wenn Sie Fragen zu dieser oder weiteren Methoden und ihren Potenzialen für klein- und mittelständische Unternehmen haben oder Sie Unterstützung bei der Umsetzung eines Ihrer Projekte benötigen, treten Sie gerne mit uns in Kontakt. 


15.06.22

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