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Im November 2020 ging eine Nachricht über das estnische Startup Pipedrive durch die Medien: die CRM-Cloud für KMU hatte einen neuen Investor gefunden und damit wurde das Startup zum Einhorn, also zu einem Unternehmen mit einer Bewertung von über einer Milliarde US-Dollar. Doch wie hat es Pipedrive geschafft mit seiner CRM-Plattform und App so erfolgreich zu werden? Allem voran gestellt, war der Fokus auf Simplizität. Almonzer Eskandar, UX-Produktmanager bei Pipedrive gibt uns in diesem Artikel einen Einblick in das UX-Design von Pipedrive!

Unauffällig sollte es sein, das UI/UX Design eines jeden guten Produkts. Dieses Mantra hält sich hartnäckig – und zwar mit Recht. Statt das Produkt in den Vordergrund zu stellen, gehört das Scheinwerferlicht dem Nutzer. Seine Bedürfnisse müssen gestillt werden, möglichst schnell, möglichst einfach und möglichst intuitiv. Doch vielen Unternehmen und insbesondere Startups in der Wachstumsphase fällt es schwer, ihr Produkt weiterzuentwickeln ohne dabei die Komplexität zu erhöhen.

Bei Pipedrive wollten wir in unserer derzeitigen Wachstumsphase nicht in die gleiche Falle tappen. Für das Redesign unserer CRM-Plattform und App – quasi zum zehnjährigen Geburtstag des Unternehmens – stand deshalb vor allem eins im Fokus: Simplizität.

Dabei dominiert eine alles entscheidende Frage: Wie kann eine UI dem Unternehmen bei der Skalierung helfen? Also: Wie erweitert ein Unternehmen sein Produkt und erhält gleichzeitig dessen Intuitivität? Die folgenden drei Aspekte sind der Schlüssel für gutes UX-Design.

  1. In welcher Position befindet sich das Unternehmen zur Zeit? Wo will es hin? Was genau ist der Zweck des Produkts?
  2. Wie genau erreicht das Produkt diese Ziele?
  3. Die Präferenzen und der Workflow der Nutzer sind fester Bestandteil aller Planungen: Wer sind die Nutzer des Produkts? Wofür und wie benutzen sie das Produkt täglich? Können Unternehmen diese Fragen beantworten, identifizieren sie mögliche bevorstehende Herausforderungen hinsichtlich des Designs frühzeitig.

Diese drei Aspekte bilden gleichzeitig das Herzstück der Nutzererfahrung. Denn: sie vereinen die Bedürfnisse der Nutzer mit der Leistungsfähigkeit eines Produkts. Nur dann erreicht eine Software das nächste Level: Aus normalen Nutzern werden Stakeholder. Unternehmen bauen so Loyalität zum Produkt auf. Doch wie lassen sich diese Aspekte ins Design übersetzen?

 

UX-Design am Beispiel Pipedrive

  1. Es muss nicht immer der perfekte Wurf sein

Aus unserer Erfahrung feiert man die größten Erfolge, wenn interdisziplinäre Teams von Beginn an in den Prozess involviert sind. Sie alle bringen andere Blickpunkte, Bedürfnisse und Erfahrungen ein – und entwickeln darauf aufbauend teils sehr unterschiedliche Ideen. Im Anschluss werden alle Ideen präsentiert und gemeinsam entschieden, wie die nächsten Schritte aussehen. So garantiert man, dass ein Produkt nicht nur auf beispielsweise Entwickler und Designer zugeschnitten ist, sondern den Ansprüchen möglichst vieler Personengruppen gerecht wird. In unserem Fall setzte sich so etwa eine Navigationsleiste auf der linken Seite, gegenüber einer horizontalen Leiste, mittig, am oberen Rand des Benutzerinterfaces durch – diese war schlicht nicht skalierbar.

 

  1. Das große Ganze

Halten Sie bei der Liebe für das Detail aber auch das große Ganze im Blick. Neben uns haben haben auch andere bekannte Akteure – von Facebook bis Slack – in der jüngeren Vergangenheit neue Designs eingeführt. Das Ziel war vermutlich immer dasselbe: die Nutzer sollen Ihre Ziele mittels der Plattformen mit minimalem Aufwand erreichen. Denn je mehr einzelne Arbeitsschritte und Umwege die Nutzer auf einer Plattform tätigen müssen, desto eher verfangen sie sich in den unübersichtlichen Wirren der Plattform.

Ein Beispiel: Noch vor einigen Jahren wurden Links zu sozialen Medien – heute undenkbar – in einem Webbrowser geöffnet.  Apps und Plattformen wurden so weiterentwickelt, dass die Inhalte – und somit auch die Aufmerksamkeit des Nutzers – im Produkt bleiben.

 

 

  1. Das beste Design fällt den wenigsten auf

Nutzer interessiert es zumeist schlicht nicht, welche Features oder design-spezifische Einzelheiten das Produkt schön und gut nutzbar machen. In der Regel nutzen sie es, einfach weil sie zufrieden waren und sind. An erster Stelle steht deshalb immer ein einfach nutzbares und intuitives Produkt, das seine Aufgaben schnörkellos im Hintergrund verrichtet. Fällt einem Nutzer etwa die Navigation auf – dann wahrscheinlich nur, weil ihn in diesem Moment gerade etwas frustriert.

 

  1. Stillstand ist Rückschritt

Viele Unternehmen verfahren nach dem Motto: „If it ain’t broken, don’t fix it”. Also: Solange etwas funktioniert, gibt es keinen Grund etwas zu ändern. Aus Design-Sicht ist dies ein No-Go. Wir bei Pipedrive leben Agilität. Wir sprechen stetig neue Ideen an, arbeiten Updates in unser Produkt ein. Agil zu sein, bedeutet im laufenden Prozess zu experimentieren und zu innovieren. Für viele Unternehmen ist dieser Eingriff in funktionierende Produkte ein unbeliebtes Risiko. Doch gerade diese Agilität im Design ermöglicht es, das Produkt kontinuierlich an neue Herausforderungen anzupassen – und letztendlich zu skalieren.

 

  1. Herausforderungen im Gesamtkontext betrachten

Eine der größten Herausforderungen ist es, die Unternehmensstrategie und die Bedürfnisse aller Beteiligten am Produkt zu verstehen – und umzusetzen. Natürlich ist es leichter gesagt als getan, jedermanns Feedback zu berücksichtigen. Doch Design im Vakuum, nur auf eine Zielgruppe ausgerichtet, funktioniert nicht. Dauerhafter Austausch mit dem gesamten Unternehmen, jedem einzelnen Produkt-Team und den verschiedenen Kundensegmenten ist von Nöten.

 

  1. Veränderungen sind nie einfach – und dennoch absolut notwendig

Veränderungen am Workflow setzen wir gemeinhin mit hohen Kosten gleich. Doch das entspricht nicht immer der Realität: entscheidend ist die richtige und stetige Kommunikation. Benachrichtigen Sie Ihre Nutzer über anstehende Veränderungen; vermitteln Sie Ihnen die Vorteile. Dass wir bei Pipedrive unseren Usern die neue UX in einem einzigen krachenden Update vor die Nase setzen, wäre für uns vielleicht günstiger gewesen. Die Kosten für unsere Nutzer wären aber enorm. Dementsprechend entschieden wir uns für einen anderen Weg, nämlich das Redesign zuerst schrittweise und optional einzuführen. Jeder Nutzer bekommt somit genügend Zeit und Support, um sich mit der neuen Umgebung vertraut zu machen. Erst dann sollten Veränderungen dauerhaft eingeführt werden. Dieser Prozess ist elementar, damit Veränderungen vom Nutzer nicht nur akzeptiert, sondern gänzlich begrüßt werden.

 

Autorenprofil:

Almonzer Eskandar

UX Produktmanager bei Pipedrive – Tallinn, Estland

Almonzer Eskandar ist UX-Produktmanager bei Pipedrive, der führenden CRM Plattform für Vertriebsteams. Er leitet die Prozesse, eine skalierbare und konsistente Benutzererfahrung aufzubauen und aufrechtzuerhalten. Almonzer war einer der Hauptakteure bei der Entwicklung des neugestalteten UX von Pipedrive. Darüber hinaus arbeitet Eskandar mit einem Krankenhaus in Estland zusammen, um gemeinsam eine Kommunikations-App zu entwickeln, die Intensivpatienten dabei hilft, künstliche Beatmungsgeräte zu nutzen. Almonzer hat einen Bachelorabschluss in Computer Engineering und einen Master of Science in Interaction Design.


02.02.21

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