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Die visuelle Ästhetik ist ein wichtiges Element im Kontext der wahrgenommenen Usability und User Experience einer Software. Zur Erfassung der Ästhetik existiert eine Reihe von verschiedenen Messinstrumenten. Diese erlauben eine Bestimmung der subjektiven Wahrnehmung der visuellen Ästhetik auf Seiten der Nutzer.

Die Schönheit bzw. die Ästhetik von Objekten beschäftigt die Menschheit schon seit jeher. Bereits im 1 Jahrhundert v. Chr., beschrieb der römische Architekt und Philosoph Vitruvius in seinem Werk „De Architectura“ – Zehn Bücher über Architektur, dass jedes Gebäude drei entscheidenden Elemente aufweisen sollte. Im Einzelnen sind dies die Festigkeit (Firmitas), die Nützlichkeit (Utilitas) und die Schönheit (Venustas). Der Begriff der Ästhetik, vom griechischen aisthētikḗ (téchnē), bezieht sich dabei auf die Wissenschaft vom sinnlich Wahrnehmbaren sowie das stilvoll Schöne und wird heutzutage häufig synonym für den Begriff der Schönheit verwendet.

Aber was bedeutet es nun eine Software „ästhetisch“ zu gestalten? Auch wenn Software keinen materiellen Gegenstand im eigentlichen Sinn darstellt, so besitzt sie in der Regel dennoch Elemente (bspw. die grafische Benutzeroberfläche), welche vom Nutzer wahrgenommen werden und auf welche ästhetische Gestaltungsrichtlinien angewendet werden können. Dabei hat sich die Ästhetik im Rahmen empirischer Analysen im Web als bedeutendes Konstrukt herausgestellt, welches einen positiven Einfluss auf zahlreiche Faktoren wie bspw. der wahrgenommenen Usability, der Zufriedenheit oder der Kaufbereitschaft hat.
 
Ob und in wie weit eine bestimmte Software nun als ästhetisch ansprechend empfunden wird ist häufig nicht einfach zu beantworten, da die Wahrnehmung von einer Vielzahl verschiedener Facetten abhängt. Daher wurde zur Bestimmung der visuellen Ästhetik von Software eine Reihe von Messinstrumenten entwickelt. Eine der bekanntesten Inventare in der wissenschaftlichen Literatur aus dem Bereich der Human Computer Interaction (HCI) stammt von Lavie und Tractinsky aus dem Jahre 2004. Es wurde zur Bestimmung der visuellen Ästhetik von Webseiten entwickelt und unterteilt die verschiedenen Messitems in zwei Dimensionen. Die erste wird von den Autoren als „klassische Ästhetik“ bezeichnet und bezieht sich auf die Ordnung bzw. die Regelmäßigkeit des Designs. Sie wird mit Adjektiven wie bspw. „angenehm“, „symmetrisch“ und „klar“ erfasst. Die zweite Dimension wird als „expressive Ästhetik“ bezeichnet und bezieht sich auf die wahrgenommene Kreativität und Originalität des Designs. Sie wird mit Adjektiven wie bspw. „faszinierend“, „kreativ“ und „anspruchsvoll“ erfasst.
Kritiker bemängeln jedoch die zum Teil generische bzw. abstrakte Artikulierung und Kombination evaluativer und deskriptiver Items, welche der Komplexität des Konstrukts nicht immer gerecht werden. Darüber hinaus werden zentrale Merkmale der Gestaltung, wie bspw. die Farbe, nicht abgefragt.
 
Ein weiteres Messinstrument, welches diese Probleme explizit adressiert und der Komplexität des Konstrukts Rechnung trägt ist das Messinventar „Visual Aesthetics of Websites Inventory“ kurz VisAWI von Moshagen und Thielsch aus dem Jahre 2010. Es wurde ebenfalls für die Messung der visuellen Ästhetik von Webseiten entwickelt und besteht aus insgesamt vier Dimensionen: Der Einfachheit, der Vielseitigkeit, der Farbigkeit sowie der Kunstfertigkeit. Mit Hilfe dieser Diversifizierung wird eine reliable und valide Einschätzung der verschiedenen Facetten der visuellen Ästhetik ermöglicht. Auf Basis der Beurteilung der einzelnen Facetten erlangen Designer wichtige Einblicke in die Wahrnehmung der visuellen Ästhetik auf Seiten der Nutzer und können „Problembereiche“ gegeben falls gezielt verbessern, bspw. durch Anpassung bestimmter Farbkombinationen. Die Anwendbarkeit und Übertragbarkeit des entwickelten Messinstruments auf andere Software-Artefakte sowie Medienprodukte wurde in diversen Studien nachgewiesen.
 
Quellen:
  • Lavie, T. und Noam Tractinsky, „Assessing Dimensions of Perceived Visual Aesthetics of Web Sites“, International Journal of Human-Computer Studies, 60 (2004), S. 269-298.
  • Moshagen, M. und M. T. Thielsch, „Facets of Visual Aesthetics“, International Journal of Human-Computer Studies, 68 (2010), S. 689-709.
  • Thielsch, M. T. und M. Moshagen, „Erfassung visueller Ästhetik mit dem VisAWI“, In H. Brau, A. Lehmann, K. Petrovic & M. C. Schroeder (Hrsg.), Usability Professionals 2011, S. 260-265. Stuttgart: German UPA e.V..

08.01.13

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