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Bei der Frage nach guten Beispielen oder Vorbildern für eine gelungene Verknüpfung von Lehre und Praxis im Bereich Design und User-Experience wird die d.school in Stanford von Experten häufig als erstes genannt. Florian Scheiber berichtet von seinen Eindrücken an der d.school an der Stanford University.

Nachdem ich mich im Rahmen meines Gastaufenthaltes an der Stanford University in den vergangenen Wochen mit der d.school beschäftigt habe, erscheinen mir folgende zwei Sätze eines d.school Dozenten und von Thomas Edison am besten zusammenzufassen, was diese vieldisku-tierte „Innovationsfabrik“ im Silicon Valley im Innersten zusammenhält:

„Zweifle an Deiner eigenen Großartigkeit“: Egal ob Ingenieur, Designer, Softwareentwickler oder Wirtschaftswissenschaftler – ohne im Rahmen der Entwicklung von Produkten und Dienstleistungen den Glauben an die Großartigkeit der eigenen Disziplin in Frage zu stellen und sich in der Zusammenarbeit der Kompetenzen anderer (inklusive der Nutzer) zu stellen, entstehen keine erfolgreichen Innovationen.

„Innovationen sind harte Arbeit“: Innovationen entstehen nicht bei einem Cocktail in der Hängematte oder bei einem Spaziergang im Park. Innovationen sind harte Arbeit. Probleme identifizieren, potentielle Lösungen entwickeln, Prototypen schaffen, Prototypen testen, Probleme neu verstehen, potentielle Lösungen neu entwickeln oder anpassen, neue Prototypen schaffen, testen und das Ganze nicht einmal, sondern drei, fünf, 10 Mal. So entstehen innovative Produkte und Dienstleistungen.
„Design Thinking“ ist der Name des Konzepts, welches unter anderem aus diesen grundlegenden Prämissen schöpft und dem sich die d.school in Stanford voll und ganz verschrieben hat: „Design thinking is the glue that holds the d.school community together“. Die d.school – offiziell „The Hasso Plattner Institute of Design at Stanford“ – wurde im Jahr 2005 gegründet und verdankt ihre Existenz vor allem dem Engagement und der Finanzierung des SAP Gründers Hasso Plattner. Er investierte insgesamt ca. 35 Millionen Dollar in das Projekt – mit dem Ziel Innovationen hervorzubringen, „die einen noch höheren Nutzen für den Menschen haben als bisher und drängende Probleme in Wirtschaft und Gesellschaft lösen". Unter der Leitung von IDEO Gründer David Kelley unterrichten an der d.school ca. 70 Dozenten ca. 350 Studierende aus den verschiedensten Fachrichtungen. Mittlerweile ist auch ein deutsches Pendant zur d.school entstanden – die HPI School of Design Thinking in Potsdam.
Klassischer Frontalunterricht spielt an der d.school eine untergeordnete Rolle – im Vordergrund steht die Identifikation und Lösung von „echten“ Problemen – meist in Zusammenarbeit mit verschiedenen Firmen oder NGOs (z.B. Facebook, International Development Enterprise, JetBlue Airlines). Hierbei entstehen nicht selten marktfähige Produkte – sei es ein bahnbrechend günstiger 25$-Brutkasten für Frühgeborene in Entwicklungsländern oder die erfolgreiche mobile i-Phone Applikation „Pulse“ zur Sammlung von News im Internet. Wie mittels des Design Thinking Ansatzes erfolgreiche Innovationen hervorgebracht werden hat das ebenfalls im Silicon Valley angesiedelte Beratungsunternehmen IDEO vorgemacht, dessen Gründer die d.school leitet. Hier entstanden Produkte wie die erste industriell hergestellte Computermaus für Apple oder das erste Transportsystem für Nierentransplantate.

Auf den ersten Blick erinnert das Konzept der d.school ein wenig an eine leichte Modifikation der so genannten „Sei spontan!“-Paradoxie von Paul Watzlawick: „Sei kreativ!“, „Innoviere!“ Auf den zweiten Blick wird deutlich, dass das Konzept der d.school alles andere ist als eine naive Vorstellung der Generierung von Innovationen. Hier werden konsequent Studierende und Wissenschaftler aus den unterschiedlichsten Fachrichtungen „gemischt“, die Arbeit und das Denken in Projekten statt in Kursen steht klar im Vordergrund, entsprechende Projekte haben einen eindeutigen Praxisbezug und werden zusammen mit NGOs oder Firmen durchgeführt. Neue Ideen für Produkte und Dienstleistungen werden schnellstmöglich in einfache Prototypen umgesetzt und mit potentiellen Nutzern ausprobiert. Die Philosophie der d.school spiegelt sich auch in den Räumlichkeiten wieder. Fast der gesamte Betrieb findet in einem großen Raum statt, der mittels flexibler Trennwände unterteilt werden kann. Konsequenterweise sind fast alle Möbel auf Rollen montiert und ermöglichen eine flexible Anpassung der räumlichen Gegebenheiten an die Anforderungen einzelner Projekte (einen guten Eindruck hierzu vermittelt das eingebettete Video). Einen formalen Abschluss bietet die d.school nicht, trotzdem übersteigt die Zahl der Bewerber die Zahl der verfügbaren Studienplätze regelmäßig um ein Vielfaches.
Die d.school ist somit eine Art radikale Umsetzung von Ideen, die auch bezogen auf die Entwicklung von Anwendungssoftware bzw. den Schlagworten Usability und User Experience immer wieder diskutiert und vermehrt umgesetzt werden: Interdisziplinäre Projektteams, eine frühe Einbindung des Nutzers in den Entwicklungsprozess, „rapid prototyping“ und iterative Softwareentwicklungsprozesse sind Schlagworte, die immer wieder fallen, wenn man mit Usability Experten über die Anforderungen an die Entwicklung nutzerfreundlicher Software spricht. Diese Ideen sind unter Umständen nicht neu, ihre konsequente Umsetzung durch Unternehmen wie IDEO oder Apple wird allerdings nicht selten als wichtiger Baustein des Erfolgs der jeweiligen Unternehmen gesehen.

Im Rahmen des Usability Projekts konnten wir erste Spuren der „Design-Thinking-Bewegung“ auch in Deutschland identifizieren. Vertreter von Softwareunternehmen berichten über der Umstellung von Entwicklungsprozessen, die d.school in Stanford und das deutsche Pendant in Potsdam werden regelmäßig als Vorreiter und Ideengeber genannt und Unternehmen suchen vermehrt nach qualifizierten Mitarbeitern, die gleichzeitig Qualifikationen aus den Bereichen Design, Softwareentwicklung und Sozialwissenschaften mitbringen. Gleichzeitig wird immer wieder deutlich, dass die Entwicklung in Deutschland noch am Anfang steht. Insbesondere an geeigneten Ausbildungsgängen mangelt es in Deutschland häufig noch – so viele Experten. Insofern wäre es nicht überraschend, wenn in Deutschland in den kommenden Jahren neben der HPI School in Potsdam weitere Ausbildungsstätten nach dem Vorbild der d.school in Stanford entstehen.


18.05.11

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